· 

CAN/ ON: Niagara Falls – naturgewaltig und kitschig zugleich

Lotta äusserte ihren Wunsch ganz klar. Sie möchte unbedingt die Niagara Fälle besuchen. Wir waren ambivalent – Jan war vor vielen Jahren auf amerikanischer Seite schon dort, ich hatte in Brasilien die gewaltigen Wasserfälle von Foz do Iguaçu bestaunt. Hinzu kam, dass diese Wasserfälle nicht auf dem direkten Weg von Toronto Richtung Westen oder genaugenommen genau in der entgegengesetzten Richtung lagen. 

Doch wann sind wir geografisch wieder so nah an dieser Sehenswürdigkeit, von der so viele schwärmen oder träumen, von diesen gewaltigen Wassermassen, die sich am Niagara River in die Tiefen stürzen? Da sich unser Plan, Calypso mit einer Passage Mitte Oktober von der Ostküste Kanadas nach Neuseeland zu verschiffen, nicht realisieren lässt, haben wir diesen zeitlichen Fixpunkt nicht mehr und können uns wieder mehr treiben lassen. 

 

Festhalten werden wir daran, dass wir British Colombia mehr Zeit widmen wollen und dort in zwei Wochen ankommen möchten. Doch auf einen Tag mehr oder weniger kommt es nicht an. Somit war es dann doch eine demokratische Familienentscheidung, dass wir hinfahren und uns das Spektakel anschauen. 


Wir übernachteten in Grimsby etwa eine halbe Stunde vor den Niagara Falls auf einem Parkplatz mit Blick über eine grosse Wiese Richtung Strand am Lake Ontario gelegen. Am Abend angekommen war die Erfrischung im See der erste Schritt, nach dem Grossstadtgetummel von Toronto den Abend einläuten zu lassen. Eine «Dusche» nach diesem Tag bei sommerlich heissen Temperaturen über 30 Grad im Süsswasser tat uns allen gut. 


Nach einer ruhigen Nacht im Vergleich zur vorherigen in Torontos Innenstadt starteten Jan und die Kinder mit einem Sprung in den See. Wir entschieden uns direkt nach dem Frühstück zu den Niagara Fällen zu fahren und den Schulunterricht auf den frühen Nachmittag zu verschieben. 

 

Auf einem der zahlreichen Parkplätze angekommen ist klar, dass wir inmitten einer der nordamerikanischen Top-Attraktionen gelandet sind. Umzingelt von Hotels mit Leuchtreklame geschmückt, Hinweisen auf Casinos und Restaurants machen wir unsere Vélos startklar, um damit zu den nahegelegenen Wasserfällen zu fahren. Wie schon die Male davor, freue ich mich auf etwas Bewegung. Wir müssen nur den Berg runterrollen und sehen schon vom Weitem den aufsteigenden Wasserdampf - ganz deutlich bevor wir die tosende Wassermenge sehen, die mit einer enormen Geschwindigkeit von der Wasserkante nach unten gezogen wird. 


Die Niagara Fälle befinden sich an der US-amerikanischen Grenze Ontarios zum Bundesstaat New York am «Niagara River», der sich vom «Lake Erie» zum «Lake Ontario» bewegt. Zugänglich von beiden Seiten gehören sie zu den beliebtesten Touristen-Attraktionen in Nordamerika. Die Schichtstufen, die die Niagara-Fälle erzeugt, bestehen aus Dolomitgestein aus einer Verbindung von Kalkgestein und Meeresboden und weist eine sehr grosse Widerstandsfähigkeit auf. 

Wir sind absolut fasziniert von diesem Spektakel und können die Menschenmenge um uns herum ausblenden. Die Macht der Naturgewalt Wasser ist so omnipräsent, es ist Ehrfurcht einflössend und unglaublich schön. Nimmt man die Höhe als Kennzahl, dann liegen die Niagara-Fälle nur auf dem 50. Platz mit einer Fallhöhe von maximal 57 Metern auf kanadischer und 35 Metern auf amerikanischer Seite. Die Wassermenge ist jedoch gewaltig mit über 1 Millionen Badewannen Wasser pro Sekunde, die in die Tiefe hinabstürzen. 

Die Kinder schauen auf die andere Flussseite rüber und stellen begeistert fest, dass sie den USA noch nie so nah waren. 


Wir diskutieren, welches Sightseeing-Angebot wir buchen wollen. Die Boote, die vor den Fällen ihre Bahnen ziehen, die sogenannte «Maid of the Mist» Bootstouren, stechen uns sofort ins Auge. Von diesen sind gleich zwei im Wasser zu sehen, die ihre Passagiere direkt zu den Wasserfällen bringt, um sie dort hautnah zu erfahren.

 

 


Eine Alternative ist die Aussichtsplattform «Table Rock», die durch ein Tunnelsystem erreichbar ist und so nah wie möglich an die Fälle herangebaut wurde, ohne dabei ihre Besucher zu nass werden zu lassen. Wir stellen uns an und bekommen die obligatorischen gelben Pelerinen ausgehändigt. In dieser Einheitskluft machen wir uns mit dem Fahrstuhl durch die Tunnelgänge auf zur Aussichtsplattform. Tonnen von Wasser stürzen direkt hinter uns in die Tiefe, so dass wir mit ausgestreckter Hand beinahe das Wasser berühren können. 

In den Gängen der Tunnel machen wir ein bisschen NMG-nordamerikanische Geschichte und lernen, dass sich 1901 der erste erfolgreiche Versuch einer Person ereignete, einen Sturz die Niagara-Fälle hinunter lebend zu überstehen. Annie Taylor schaffte dies in einem Fass. Es folgten viele weitere Versuche, von denen jeweils nur jeder zweite auch lebend endete. 

Nach der Tour machen wir uns auf, zurück zu Calypso zu radeln und einen Platz für unser «Road-Schooling»-Programm zu suchen. Wir werden fündig im «Queenstone Heights Park» in der Nähe von «Niagara on the lake», ein imposanter Park mit zahlreichen Picknicktischen und altem Baumbestand. Der Mathe-, Deutsch- und NMG-Unterricht mit einer Sporteinlage Fussball läuft in dieser Atmosphäre sehr gut.

 


Bevor wir uns aufmachen einen Stellplatz für die nächste Nacht zu finden, laufen wir eine Runde durch den Park mit einem wunderbaren Blick den Fluss abwärts und seinem imposanten «Brock’s Monument», ein historisches Denkmal, welches anlässlich der Schlacht von 1812 zwischen den Briten und den Amerikanern errichtet wurde. Die Schlacht konnten zwar die Amerikaner für sich entscheiden, «Niagara on the lake» wurde niedergebrannt, jedoch nach bereits sechs Monaten konnten die Briten ihre Bastion zurückerobern, so dass bis heute das Gebiet zu Kanada gehört. 


Die Niagara-Schichtstufen haben nicht nur die grossen Wasserfälle hervorgebracht, sondern auch ein Mikroklima geschaffen, dass dem in Burgund sehr nahekommt und wie dort auch ideal für den Weinanbau genutzt wird. Zahlreiche Weingüter reihen sich den Niagara River entlang. Wir passieren diese und geniessen die Fahrt durch die Reben auf unserem Weg hinab zur Ortschaft «Niagara on the Lake», wo der Fluss in den Lake Ontario mündet. 

 

Die historische Wichtigkeit für Kanada spüren wir in «Niagara on the lake» überall. Die Kleinstadt wird zu den schönsten Ortschaften Nordamerikas gezählt, was wir bei der Durchfahrt durchaus nachvollziehen können. Altehrwürdige Stadthäuser säumen die Hauptstrasse, ausgewählte Einzelhändler und kaum wie gewohnt die üblichen Ketten von Fast Food Restaurants oder Supermarktketten, die ansonsten das Stadtbild dominieren. Vor uns fährt ein Pferdegespann für Touristen, der Kontrast mit Calypso direkt dahinter könnte nicht grösser sein. Natürlich auch hier müssen wir eine Badepause einlegen und sprengen mit Calypso die zugelassenen Maximalwerte. Wir kommen nicht weiter, springen schnell ins Wasser, bevor wir weiterziehen. 

Die Nacht verbringen wir direkt in der Stadt auf dem Busparkplatz von «Fort George» und beenden den Tag in direkter Nähe zur lokal so wichtigen Geschichte von 1812. 

Kommentar schreiben

Kommentare: 2
  • #1

    Uli (Sonntag, 28 August 2022 04:08)

    Was für ein spannender Eintrag!
    Wir vermissen Euch!

  • #2

    Nadine (Montag, 29 August 2022 12:23)

    Liebe Subos danke schön. Wir vermissen Euch auch. Ihr seid stets bei uns, der FC ist ja omnipräsent, wie man auf den Bildern sieht. :-)