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CAN/ AB: Horizonterweiterung beim «Head-Smashed-in-Buffalo Jump»

Auf dem Weg in den «Waterton National Park» am südlichsten Punkt von Alberta direkt an der US-amerikanischen Grenze von Montana legen wir einen Zwischenstopp beim «Head-Smashed-in-Buffalo Jump» ein. Dahinter verbirgt sich eine sogenannte «Historic Site» Kanadas, die auch zum «UNESCO-Weltkulturerbe» zählt. 


Wir halten spät abends am Fusse des Museums, weil wir weit und breit keinen Stellplatz finden und übernachten ausnahmsweise an einer Stelle, die «Overnight-Parking» nicht gestattet. Am nächsten Morgen treffen wir einen Museumsmitarbeiter der «First Nation», der uns freudig begrüsst und nur wissen möchte, ob wir uns denn auch das Museum anschauen möchten. Dafür sind wir ja extra den kleinen Umweg gefahren, um mehr über das jahrtausendealte Zusammenleben der Büffel und der «First Nation»-Stämme zu erfahren. Den netten Mitarbeiter sehen wir dann später im Museum, als er Besuchern Rede und Antwort steht. 

 

Bevor wir uns ins Museum aufmachen, frühstücken wir draussen auf den Picknick-Tischen und legen noch zwei Lektionen Schule ein, Mathe und Deutsch. NMG (Sachkunde) werden wir geballt im Museum machen. 


Wir gehen in das «Visitor Centre» von «Head-Smashed-in-Buffalo Jump» und sind sofort von der Architektur des Gebäudes beeindruckt, welches über mehrere Ebenen in den Steilhang hineingebaut wurde. 

Vor über 6000 Jahren jagten die Ureinwohner Nordamerikas dort bereits Bisons, um ihr Überleben zu sichern. Neben den eindrücklichen Klippen, an denen sich die Jagdepisoden abgespielt haben, ist das «Visitor Centre» erbaut worden. In diesem werden Exponate von Tieren und Alltagsgegenständen der Nachkommen der «First Nation», den Ureinwohnern Kanadas, ihre Geschichte, Lebensphilosophie und Kultur den interessierten Besuchern nähergebracht.

Das Besondere dort ist, dass Forscher sehr detailliert Jagd- und Lebensweisen der «Native People», der indigenen Stämmen, wie den «Piikani» oder auch «Blackfoot» genannt, die in dieser Region lebten, rekonstruiert haben. 


Generell haben wir «Visitor Centre» auf unserer Reise von Ost nach West in allen Provinzen kennengelernt, die als Museen zu verstehen sind, meistens sogar mit Gratiseintritt. Ein Besuch lohnt sich sehr als Start in einen National Park, eine historische Stätte oder Region. Mit sehr viel Liebe zum Detail sind dort Informationen zusammengetragen und informativ aufbereitet - immer wieder ein Highlight für jeden von uns. 

In der Ausstellung finden wir schnell umfassende Informationen zur Lebensweise von Tier und Mensch, vornehmlich der Bisons mit den indigenen Stämmen. Wir lernen viel Neues über die besondere Jagdweise der damaligen Bewohner, die rund um die nahegelegenen Klippen Anwendung gefunden hat. Darauf geht auch der etwas sperrige Name «Head-Smashed-in-Buffalo Jump» zurück. 

Wir schauen uns alles an und erklären uns gegenseitig, was wir schon an Vorwissen mitbringen aus diversen Büchern und natürlich von Mattis Hörbüchern «Yakari» und «Was ist was Junior».

Lotta und Matti hören gespannt zu, als wir ihnen neue Informationen übersetzen. Das ist ein sehr kurzweiliger NMG-Unterricht und auch wir lernen dazu, beispielsweise dass die Trageschleifen der indigenen Stämme "Travois" heissen, die vor Nutzung der Pferde von Hunden oder den Bewohnern selbst gezogen wurden, um all ihr Hab und Gut in ihre Sommer- oder Winterquartiere zu transportieren. Bei uns überwog vor dem Museumsbesuch die Vorstellung, dass bereits sehr früh Pferde eine dominierende Rolle beim Transport gespielt haben mussten. Doch wurden diese erst von Europäern nach Nordamerika gebracht. 

 



Zurück zur besonderen Jagdweise an diesem historischen Ort, wo die Büffel über die bis zu 15 Meter hohen Klippen getrieben wurden und damit in den Tod gestürzt sind. Diese Szenerie wird auch anschaulich auf einer nachgestellten Klippe im Eingangsbereich gezeigt als auch auf einer geschnitzten Holzdarstellung. 


Die Bisonjagd wurde von langer Hand vorbereitet. Der gesamte Stamm errichtete vor der Jagd einen Trichter bestehend aus Steinhaufen, Ästen und Zweigen, der am Klippenrand mündete. Die Jäger teilten sich in drei Gruppen auf: Der «Buffalo-Runner», die «Treiber» und diejenige Gruppe, die den Trichter «verstärkten».

 

Ein sorgfältig ausgewählter Jäger imitierte als «Buffalo-Runner» mithilfe eines Bisonkalbfells auf dem Rücken ein verloren gegangenes Kalb und lief in den Trichter hinein. So lockte er die Leitkuh der Bisonherde in den Trichter, da diese versuchte das vermeintliche Bisonkalb zur Herde zurückzuholen. Die Herde folgte ihr in den Trichter.

 

Nun kam die zweite Gruppe der Jäger ins Spiel, die als «Treiber» fungierten, in dem sie mit übergeworfenen Wolffellen die Herde einkreisten und den Rest der Herde in Richtung des Trichters trieben.

In Panik versetzt folgten die Bisons ihrer Leitkuh in Richtung der Steilklippen am Trichterrand entlang und drückten die ersten Tiere über die Klippen hinab.

 

Die letzte Gruppe der Jäger positionierten sich entlang des Trichterrands und leiteten die Tiere durch das Wedeln mit Bisonfellen von der Seite in Richtung Abgrund. Auf diese Weise hielten die Bisons den Trichterrand für eine unüberwindbare Mauer gesäumt durch imaginäre weitere Bisons, die in der Stampede gemeinsam in eine Richtung liefen. Die nachfolgenden Tiere drückten nach und nach die vorderen Bisons den Abgrund in den sicheren Tod hinab. 

 

So war diese Art des Jagens sehr effizient und strategisch durchdacht. Sie erforderte viel Mut, Erfahrung und Wissen, da beispielsweise der «Bufallo-Runner» zum richtigen Zeitpunkt losrennen und sich wieder kurz vor dem Klippenrand aus dem Trichter bewegen musste, ohne sich dabei zu verletzen und die Herde weit genug an das Trichterende zu führen. 

 

Beindruckend dabei finden wir, dass diese Jagdmethode schon vor über 6000 Jahren erstmalig stattgefunden hat und bis ins 18. Jahrhundert ausgeübt wurde. Knochenfunde am Fusse der Klippen belegen die Historie. Die Jagd erfolgte gänzlich ohne Pferde, ausschliesslich zu Fuss, da die Pferde erst durch die europäischen Siedler ab Mitte des 18. Jahrhunderts nach Nordamerika kamen. 

 

Mithilfe der getöteten Bisons konnten sich die Stämme über die harten Winter bringen und verwerteten alle Bestandteile der als heilig geltenden Tiere – angefangen von der Zunge als Haarbürste, dem Schwanz als Fliegenklatsche, den Knochen als Werkzeuge und den Fellen als Zeltplanen und Kleidung. 


Die Philosophie ihres Jagens beruhte für die indigenen Stämmen darauf, nur so viele Tiere zu töten, um ihr Überleben zu sichern. Erst durch die Besiedlung der Weissen wurden die Bisonbestände durch Massentötungen beinahe gänzlich dezimiert.

Lebten früher bis zu 40 Millionen Tiere in ganz Nordamerika, sind es heute gerade einmal knapp 10 000 – 15 000 Tiere in Kanada und bis zu 30 000 Bisons in Amerika, deren Population mit viel Mühe kontinuierlich wieder aufgebaut wird.

 

Wir sind fasziniert von diesen muskulösen Tieren, die neben dem Eisbären zu den grössten Landtieren Nordamerikas zählen. Schade nur, dass wir sie nicht lebend in einer Herde beim Museum betrachten können. Bis vor einigen Tagen graste am «Visitor Centre» noch eine Bisonsherde, die jedoch leider umgesiedelt wurde. So wird uns der Wunsch verwehrt, vor Ort passend zum Thema auch die lebenden Exponate zu sehen.


Wir schauen uns nach den Exponaten der Ausstellung auch noch einen Film im dazugehörigen Kinosaal an und sind nun in die Zeit vor bis zu 6 000 Jahren zurückversetzt. Matti möchte den Film gleich nochmals schauen, doch zieht es uns raus ins Aussengelände des «Visitor Centre». 


Ein kleiner Weg zu einem Aussichtspunkt ermöglicht uns, den Blick über die endlose Landschaft der Prärie schweifen zu lassen, in welcher die indigenen Stämme gelebt haben. Wir sehen die hohen Klippen, wo die Bisonjagd wissentlich aufgrund von archäologischen Funden stattgefunden haben. Calypso steht unten in der Ebene und fügt sich farblich sehr gut in die Prärielandschaft ein. 


Ganz beseelt so viel Neues über Bisons erfahren zu haben, fahren wir weiter in Richtung «Waterton National Park»


Auf unserem weiteren Weg ruft Matti irgendwann ganz aufgeregt gegen Calypsos lautes Motorgeräusch an. Kleine, dunkle Flecken am Horizont sind tatsächlich Bisons. Wir nähern uns der Stelle und tatsächlich ist es eine kleine Bisonherde, die uns aus ihrem Gehege entgegenschaut.  


Kurz bevor wir den Eingang zum "Waterton National Park" erreichen, sehen wir ein Schild, welches auf eine Bisonherde hinweist. In einem sehr weitläufigen Wildgehege fahren wir mit Calypso mehrere Minuten einen Schotterweg entlang, bis die grasenden Bisons im Dämmerlicht auftauchen. Zweimal Bisons zu sehen an einem Tag ist ein absolutes Highlight für uns alle. 

 

Den Tag lassen wir dann auf unserem ersten Campingplatzbesuch im «Waterton National Park» ausklingen, wo dann bereits unser nächstes Abenteuer wartet. 

 

Das Museum im «Visitor Centre» von «Head-Smashed-in-Buffalo Jump» ist fantastisch, begeistert uns und lädt zum Wiederkommen ein

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